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STICHWORT Antiquariat

Die vollkommene Ehe haben wir in der 76. Auflage
Ein kleiner Einblick in den antiquarischen Buchbestand

Hanna Hacker in: STICHWORT Newsletter 2/1996

"Wo STICHWORTs Bibliothek sich mancher Liebhaberin als ganz besonders kostbar präsentiert, birgt sie unseren antiquarischen Buchbestand. Wir definieren "Antiquariat" entlang einer Zeitgrenze; was vor 1966 erschienen ist, zählt dazu - derzeit knapp 700 Titel. Unser ältestes Buch datiert von 1828, ein Bändchen aus den gesammelten Werken von Caroline Pichler, Führerin eines literarischen Salons; historisch dicht auf den Fersen folgen ein Handbuch für Mütter und Erzieher (1855) von Julie Burow und der Roman Peregrin (1864) der weit gereisten Gräfin Ida Hahn-Hahn.

Der antiquarische Bestand ist nicht eigentlich Ergebnis gezielter Sammelbemühungen. Den größten Teil hat
STICHWORT, nach langen Jahren des Leihgabe-Besitzes in unseren Räumen, der Buchhandlung Frauenzimmer abgekauft. Beachtliches stammt weiters aus zufälligen oder gezielten Beutezügen meist einzelner Archiv-Mitarbeiterinnen durch teure Antiquariate oder viel versprechende Flohmarkt-Wühlkisten in diversen europäischen Metropolen.

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Um die kleine Statistik der Superlative fortzusetzen: Im dünnsten Band kann frau eine Ansprache der Ärztin Hedwig Waser nachlesen, die übrigens mit ihrem Zopf auch ihren Verlobten opferte, als sie in den 1890er Jahren zu studieren begann (Wir Frauen gegen den Alkohol, o.J.); aber auch Claire Golls poetische Klage um Ivan (1960) ist mit 24 Seiten sehr kurz geraten! Besonders dick, andererseits, präsentieren sich die 726 Seiten von Das Kränzchen. Illustrierte MädchenZeitung, herausgegeben von einem Herrn Spemann. Als "jüngste" und gleichwohl von uns als "antiquarisch" katalogisierte Titel stammen aus der ersten Hälfte der 1960er Jahre zum Beispiel Die Bastardin, der autobiographische Roman der französischen lesbischen Autorin Violette Leduc, die Memoiren Fürchte dich nicht der deutschen altfeministischen Politikerin Marie-Elisabeth Lüders oder auch die Studie Cuba und Castro von Teresa Casuso. Und die Viel-, die Meist-Schreiberinnen? 14 Titel der für die Alte Frauenbewegung recht maßgeblichen Schriftstellerin Gabriele Reuter, 12 von der Dänin Karin Michaelis, 11 von Selma Lagerlöf, der schwedischen Nobelpreisträgerin; alle drei waren Zeitgenossinnen.

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Romane und Erzählungen weiblicher (europäischer) Autoren aus dem frühen 20. Jahrhundert, klassische "Frauenliteratur" also, die sich neben dem "politischen" Feminismus der Jahrhundertwende entwickelte, kommentierend, befürwortend, oft auch kritisch und distanziert, bildet einen großen Schwerpunkt unserer Sammlung. Dazu eine Fülle an Memoiren, (Auto-)Biographien und Briefsammlungen: Madame Curie und Marie Antoinette sind hier in Texten repräsentiert, die tanzenden Schwestern Wiesenthal und die Sozialistin Lily Braun, Eleanor Roosevelt, die Präsidentengattin mit den engen Frauenfreundschaften, und die Schauspielerin Helene Odilon, die in Wien bejubelt und dann um ihr Vermögen betrogen wurde. (Wieder) zu entdecken sind zwei Bände Tagebücher aus vier Weltteilen 1886/1904 (Elisabeth von Heyking) oder die Ausgabe von 1888 des Journal de Marie Bashkirtseff, der ukrainisch-französischen Malerin, die mit 25 an Tuberkulose starb und in ihren Texten - wo sie nicht gekürzt und entstellt publiziert wurden - sehr intensiv um "ihre" Weiblichkeit zwischen Kreativität und Sexualität rang. Und selbstverständlich das Tagebuch der Anne Frank.

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Sachliteratur und theoretische Texte bilden einen kleineren Teil unseres Antiquariats; darunter befinden sich Augenweiden wie die Women Painters of the World from the time of Caterina Vigri 1413-1463 to Rosa Bonheur and the present Day (1905, hg. von Walter Shaw-Sparrow). Debatten der Alten Frauenbewegung reflektiert beispielsweise Die Frau im 19. Jahrhundert (1902) der Wiener Feministin und Sozialistin bürgerlicher Herkunft Therese Schlesinger-Eckstein oder Der typische Verlauf sozialer Bewegungen (1917), ein Vortragstext ihrer zeitweisen und berühmten Kampfgefährtin Rosa Mayreder. Die Archäologin Caecilie Seler-Sachs ist mit Frauenleben im Reiche der Azteken (1919) vertreten. Bei der Anschaffung des Buches Outwitting Our Nerves. A Primer of Psychotherapy (1927) von Jackson und Salisbury aber gab wohl der Galgenhumor gestresster STICHWORT-Frauen den Ausschlag?

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Sucht frau nach Spuren lesbischer Lese- bzw. Schreib-Traditionen, vielleicht nach frühen Ausgaben, "obwohl" seit den späten 1970er Jahren ja manches neu aufgelegt wurde, so seien ihr etwa Maximiliane Ackers' Freundinnen (1923) in die Hand gegeben, Christa Winsloes Mädchen Manuela (in der Exilausgabe von 1933; bekannter unter dem Titel Mädchen in Uniform), die pseudonyme Pensionatsgeschichte Olivia (erstm. 1950) von Dorothy Bussy Strachey - und Virginia Woolfs Roman Orlando, natürlich, den es in der 1929 bei Tauchnitz erschienenen englischen Ausgabe gibt.

Ganz spezielle Tipps? Drei davon, kunterbunt: Erstens, unsere Literaturdatenbank erlaubt Recherchen auch nach dem Suchkriterium "Verlag". Zweitens, kennen Sie Auguste Groner, die frühe österreichische Krimi-Autorin? Sie erfand um 1900 als literarische Figur den aufblasbaren Detektiv! Und drittens: Unsere Ausstellung "Stichwort: Exlibris. Widmungen und Autographe" eröffnen wir am 25. November 1996."

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