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Wenn Frauen fliegen

Serinity Young: Women Who Fly. Goddesses, Witches, Mystics, and other Airborne Females. New York: Oxford University Press, 2018, 358 Seiten, € 27,00

Gelesen von Stephanie Arzberger

In “Women Who Fly. Goddesses, Witches, Mystics, and other Airborne Females“ sammelt die Autorin Serinity Young, Wissenschafterin am Department of Anthropology im New York’s American Museum of Natural History, auf knapp 360 Seiten Geschichten, Mythen, Märchen und Erzählungen über fliegende Frauen aus aller Welt.

Sie teilt ihr Buch dabei in zwei übergeordnete Kapitel: Der erste Teil beschäftigt sich mit übernatürlichen bzw. übermenschlichen Frauenfiguren wie etwa den Göttinnen des antiken Griechenlands oder den Walküren aus der nordischen Mythologie. Der zweite Teil ihres Buches handelt von ganz und gar irdischen Frauen, von den Hexenjagden im Europa des 15. Jahrhunderts unserer Zeit über die Bedeutung von Schamaninnen bis hin zur US-Pilotin Amelia Earhart und der deutschen Luftwaffenpilotin Hanna Reitsch in den 1930er und 1940er Jahren. Die Bandbreite an Themen, deren kleinster gemeinsamer Nenner das Fliegen ist, macht zunächst skeptisch, ob es sich womöglich doch nur um eine Aneinanderreihung von Geschichten handle. Die Skepsis weicht spätestens beim Lesen ihrer Conclusio, in der sie die vorgestellten Themen miteinander verbindet und Schlüsse aus ihrer Recherchearbeit zieht. Eines ihrer Hauptargumente ist, dass in den von ihr genannten Beispielen die – wie sie schreibt – Immanenz und Transzendenz von Frauen stets durch eine patriarchale Linse gezeigt wurden. Eine frappierend offensichtliche Misogynie in den Erzählungen ist das verbindende Element über religiöse, zeitliche und geografische Grenzen hinweg. Das Fliegen, egal ob mit Flügeln, auf einem Besen oder durch Gestaltänderung habe stets ein befreiendes Moment an sich. In der männlichen Faszination an diesen Frauen geht es dabei allerdings nicht um Bewunderung, sondern stets darum, diese Freiheit zu zähmen oder zu zerstören. Wie würden diese Geschichten aus weiblicher Perspektive geschrieben ist eine Frage, mit der die Autorin ihre Leserinnen zurücklässt.

„Women Who Fly“ ist ein empfehlenswertes, anspruchsvolles Buch in wissenschaftlicher Sprache, voller Endnoten und Exkurse. Die Wahl der Erzählungen erscheint auf den ersten Blick etwas willkürlich, erschließt sich aber über die Kontextualisierung im abschließenden Kapitel. Und: Jede einzelne Geschichte macht Lust darauf, sich mehr mit dem Thema zu befassen.

Stephanie Arzberger arbeitet derzeit an ihrem Abschluss am Institut für Publizistik- und Kommuninationswissenschaft der Universität Wien und wirkt seit 2011 beim STICHWORT mit.


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