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Schreibräume für Frauen des 21. Jahrhunderts

Wolfsberger, Judith: Schafft euch Schreibräume! Weibliches Schreiben auf den Spuren Virginia Woolfs. Ein Memoir, Wien: Böhlau Verlag, 2018, 292 Seiten, € 24,70.

Gelesen von Eva Steinheimer

In „Schafft euch Schreibräume!“ von Judith Wolfsberger, Autorin, Schreibtrainerin und Gründerin des Schreibstudios writersstudio in Wien, werden wir Zeuginnen des sich über Jahre erstreckenden Prozesses der Entstehung ebendieses Buches. Dem Titel nach handelt es sich um ein Memoir, eine vor allem im anglo-amerikanischen Raum verbreitete Form des autobiografischen literarischen Schreibens. Es ist jedoch noch viel mehr, integriert Reiseschilderungen sowie Analysen von Texten Virginia Woolfs und reflektiert Fragen zu feministischer Schreibpraxis.

Alles beginnt mit einer Reise auf den Spuren Woolfs durch London und Südengland und der Frage, wie eine Autorin wird. Ausgestattet mit Texten von Woolf und ausgewählten Werken über sie spürt Wolfsberger ihrem Vorbild an jenen Orten nach, an denen sie lebte und arbeitete, nicht zuletzt in Monk’s House mit Garten und Schreibhütte. Eine steinige Passage im Prozess der Entwicklung zur KünstlerIn führt Wolfsberger später noch einmal nach Cornwall auf eine Wanderung entlang des Southwest Coast Path. Der reiche Einsatz von Woolf-Zitaten in Originalsprache macht Lust auf weiterführendes Lesen und ähnliche Reisen.

In einem sehr persönlichen Kapitel setzt sich die Autorin mit der eigenen (Familien-)Geschichte, ihren Tabus und intergenerationellen Traumata, mit der Einschreibung dieser Geschichte in den Körper, mit dem Mutter-Werden und seiner Bedeutung für die Arbeit als Autorin auseinander.

Die Schaffung von Schreibräumen für Frauen wird anhand von Woolfs berühmtem Essay „A Room of One’s Own“ diskutiert. Woolf hoffte 1928, dass Autorinnen in 100 Jahren bessere Voraussetzungen für ihre Arbeit vorfinden würden, einen Raum, sich zu entfalten, was auch durch Teilen dieses Raums mit anderen geschehen kann, wie Wolfsberger anhand von Erfahrungen aus amerikanischen Schreibgruppen anschaulich macht. Im abschließenden Kapitel findet die Frage nach weiblichem Schreiben eine Zuspitzung in der Konzentration auf eine feministische Schreibpraxis und ein Selbstverständnis als Feministin. Anhand von Beispielen von wissenschaftlich Schreibenden und deren Auseinandersetzungen führt Wolfsberger ihre Reise zum fertigen Buch zu einem offensichtlich glücklichen Ende.

Lustvolle Lektüre mit einer Fülle an Gedanken und Ideen und Fundgrube für alle schreibenden Feministinnen.

Mag.a Eva Steinmeier, Skandinavistin und Politologin, arbeitet in der außeruniversitären (Erwachsenen)Bildungsforschung. Sie ist langjährige Mitarbeiterin der feministischen Rezensionszeitschrift WeiberDiwan.


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