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Rape culture konfrontieren mit Online-Aktivismus

Mendes, Kaitlynn/Ringrose, Jessica/Keller, Jessalynn: Digital feminist activism. Girls and women fight back against rape culture, Oxford: Oxford University Press 2019, 216 Seiten, € 24,90

Gelesen von Brigitte Geiger

Welche Chancen bieten sich für digitalen feministischen Aktivismus, in bestehende postfeministisch und neoliberal formierte Geschlechter­verhältnisse zu intervenieren? Konzipiert und durchgeführt, bevor die
#MeToo-Bewegung Sexismus und Gewalt auf die Agenda gesetzt und Feminismus neue Sichtbarkeit verliehen hat, untersucht die vorliegende Studie neben international verbreiteten Initiativen mit entsprechender medialer Resonanz (Hollaback!, Everyday Sexism, Who needs Feminism und #BeenRapedNeverReported) auch weniger sichtbare, alltäglichere Online- Aktivitäten, etwa von Mädchen im Schulkontext. Geografischer Bezugspunkt ist der angloamerikanische Raum (USA, Kanada und Großbritannien), und trotz des intersektionalen Anspruchs sowohl des Forschungsteams als auch der Kampagnen selbst ist das Gros der Befragten weiß, heterosexuell, überwiegend gut gebildet und aus der Mittelschicht.

Im Fokus des Interesse standen nicht so sehr Inhalte und Verlauf der Kampagnen, sondern die konkrete Praxis und Erfahrungen der als Organisator*innen und User*innen Beteiligten: Was motiviert sie, welche Effekte und Bedeutung schreiben sie ihren Online-Aktivitäten zu, wie gehen sie mit Herausforderungen des Engagements, insbesondere mit Trollen und Hate Speech um? Mit ihrem ethnographischen Vorgehen erhalten die Forscherinnen lebendige Einblicke in Komplexität und Vielfalt feministischen Online-Aktivismus. Deutlich wird die große Bedeutung des Teilens persönlicher Erfahrungen und Geschichten. Der Praxis des Consciousness- Raising älterer Feminismen ähnlich bedeutet der digitale Austausch für viele Unterstützung und trägt zur feministischen Bewusstseinsbildung bei. Im Resümee betonen die Autorinnen das Potential digitaler Medien, sowohl nach außen gerichtete femininistische Gegenöffentlichkeiten als auch intimere Communities Gleichgesinnter zu fördern. Sie verweisen gleichzeitig auf Barrieren, wie die Belastungen des Öffentlichmachens eigener Gewalterfahrungen, und Widersprüchlichkeiten, wenn Aktivist*innen durch teilweise umfangreiche unbezahlte digitale Arbeit zum Profit großer Internetkonzerne beitragen.

Das Buch bietet eine kompakte, gut lesbare Zusammenschau von theoretischem Hintergrund, Methoden und Datenbasis sowie Ergebnissen der einzelnen Fallstudien (zu denen auch andernorts publiziert wurde). Es macht so Mikropolitiken und Relevanz feministischen Online-Aktivismus deutlich und bietet Anregungen für weitere Forschung.

Brigitte Geiger ist Medien- und Kommunikationswissenschafterin, Universitätslektorin und im Vorstand von STICHWORT.


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