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Feministische Theorie und kritische Medienkulturanalyse

Tanja Thomas, Ulla Wischermann (Hg.): Feministische Theorie und kritische Medienkulturanalyse. Ausgangspunkte und Perspektiven. Bielefeld: transcript, 2020, 566 Seiten, € 39.

Gelesen von Brigitte Geiger

Feministische Wissensproduktion in akademischen und aktivistischen Kontexten bildet in der Zwischenzeit ein umfangreiches Theoriekorpus und damit auch wichtige Grundlagen für die Analyse und Kritik von Medienkulturen und deren Einfluss auf Geschlechterverhältnisse.
Der Band will zur Tradierung dieser Wissensbestände beitragen und kombiniert dazu den (auszugsweisen) Wiederabdruck einer Auswahl klassischer Texte feministischer Theorie mit einleitenden Originalbeiträgen, die diese in ihrem Kontext verorten und auf ihr emanzipatorisches Potential für gegenwärtige, sich schnell wandelnde Medienkulturen befragen. Gegliedert in vier Abschnitte werden für Geschlechterverhältnisse und Feminismus zentrale Konzepte und Bereiche wie Fragen der Reproduktion, Unterdrückungs­verhältnisse durch race, class und gender, Sexismus und Zwangs­heterosexualität, Debatten um Öffentlichkeit und Privatheit, Subjektivität und Erfahrung, Körper und Performativität bis zu digitalen Medien und Netzpolitik behandelt.
Die Quellentexte decken einen Zeitraum von fünf Jahrzehnten ab – der älteste, Valerie Solanas’ S.C.U.M.-Manifest, ist von 1968, der jüngste, ein Interview mit Reyhan Şahin/Lady Bitch Ray, von 2016; die überwiegende Mehrheit stammt aus den 1970er bis 1990er Jahren. Vertreten sind durchwegs bekannte Autorinnen – zu ihrer Zeit vielgelesene wie Ursula Scheu, Marielouise Janssen-Jurreit oder Maria Mies, wichtige Vertreterinnen des black feminism wie Audre Lorde und bell hooks, feministisch-materialistische wie Frigga Haug und Silvia Federici, natürlich Judith Butler und Donna Haraway und viele mehr.
Der umfangreiche Band kann und will weder einen Kanon zentraler Texte noch einen systematischen Überblick über feministische Theorieproduktion bieten, aber er kann anregen, auch ältere Texte wieder zu lesen, und bietet vielfältige Schlaglichter auf vieldiskutierte Autor*innen und theoretische Konzepte – insofern insbesondere auch für Lehrende und Studierende der Gender (Media) Studies sowie Nachwuchs-Genderforscher*innen zu empfehlen.

Brigitte Geiger ist Medien- und Kommunikationswissenschafterin, Universitätslektorin und im Vorstand von STICHWORT.


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