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perfectly imperfect oder: Wie Verständnis und Missverständnis von Feminismus Kultur, Politik und Berufsleben prägen

Angela McRobbie: Feminism and the Politics of Resilience. Essays on Gender, Media and the End of Welfare. Cambridge: Polity Press, 2020, 153 Seiten, € 18,49.

Gelesen von Stephanie Arzberger

In vier Essays, die im Laufe des vergangenen Jahrzehnts entstanden sind, zeigt Angela McRobbie, emeritierte Professorin des Goldsmith College, auf, wie die sozialen Polarisierungstendenzen in der Gesellschaft durch Medien und Popkultur weiter vorangetrieben werden und welche Rolle normative Weiblichkeitsideale dabei spielen. Sie zeichnet in Feminism and the Politics of Resilience. Essays on Gender, Media and the End of Welfare den Übergang vom liberalen Feminismus zum neoliberalen Feminismus durch die Linse des Familienlebens und der Mutterschaft nach und fragt, wie weit Feminismen in der kapitalistischen Konsumkultur gehen können, bevor sie (wieder) nur als Modeerscheinung auftreten und dann wieder gemieden werden, oder was für eine feministische kulturwissenschaftliche Perspektive in diesem Zusammenhang erforderlich ist. Schließlich beleuchtet sie das Armut-Shaming im Reality TV, wobei sie auch rassifizierende Logiken angewendet auf Frauen aus der Arbeiterklasse in die Analyse miteinschließt.
Jetzt mag eins sich fragen, wie der titelgebende Resilienzbegriff hier hineinspielt. Dazu führt sie das Konzept der perfect-imperfect-resilience (kurz p-i-r) ein. p-i-r überbrückt die Kluft zwischen Feminismus und Kapitalismus, indem etwas geliefert wird, wie McRobbie bildlich schreibt, das schmackhaft ist, aber Werbekunden nicht abschreckt. Anders gesagt: McRobbie kritisiert den Trugschluss, dass es im konservativen/ liberalen Feminismus keine feministische Politik braucht, sondern Diskriminierungserfahrungen mit Resilienztraining, Ratgebern oder Apps individuell zu verhandeln und zu bewältigen sind. Es geht der Autorin zufolge also nicht darum, einen Feminismus zu schaffen, der das neoliberale Imaginäre unterstützt und sich selbst als profitable Ware verpackt.
Ihre teils sehr komplexen Formulierungen macht die Autorin anhand anschaulicher Beispiele für die Leserin verständlich. Dadurch wird die anstrengende Lektüre erleichtert. „Feminism and the Politics of Resilience“ ist sprachlich nicht einfach zugänglich, bietet aber spannende Analysen zu Feminismus, Medien und Wohlfahrt im Neoliberalismus.

Stephanie Arzberger arbeitet seit 2011 beim STICHWORT mit.


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