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¡Wenn du nicht kämpfst, bist du verloren!

Faika El-Nagashi und María Rosa Pérez Abellá (Hg.): Wenn du nicht kämpfst, bist du verloren! ¡Si no luchas, estas perdida! Eine Festschrift für | Un homenaje a María Cristina Boidi. Wien: Spittelberg Verlag 2021, 439 Seiten. Gratisdownload bei der Grünen Bildungswerkstatt Wien.

Gelesen von Rosa Zechner

Diese Hommage an María Cristina Boidi zeichnet sich durch viele Superlative aus: ein wunderschön gestaltetes Buch, das schon durch sein Cover fasziniert – neun ausdrucksstarke und dynamische Fotos von Cristina, unterstrichen durch das für sie so zentrale Motto des Kämpfens. In neun, durchgängig in Deutsch und Spanisch verfassten Kapiteln kommen Wegbegleiter*innen und Mitstreiter*innen mit ihren Erinnerungen, Würdigungen, Analysen, Gedichten und Zeichnungen zu Wort. Die zahlreichen Fotos, die das ganze Buch durchziehen, erzählen Cristinas Biographie zusätzlich auf einer visuellen Ebene.
1941 in Santa Fe geboren, wuchs Cristina in einer bürgerlichen Familie auf, in der Offenheit und Großzügigkeit gelebt wurden. In der Festschrift geben Familienmitglieder und Freund*innen vielfältige Einblicke in Cristinas Kindheit, ihre Jugendjahre und die Studienzeit, in ihren frühen politischen Aktivismus, ihre Zeit als Philosophieprofessorin an der Uni und Direktorin einer höheren Schule, ihr Engagement in der Lehrer*innengewerkschaft und schließlich in die Zeit der Verfolgung und Inhaftierung durch die argentinische Militärdiktatur. Die erschütternden Berichte über die fünf Jahre dauernde Gefangenschaft werden durch historische Dokumente ergänzt.
Nach ihrer Freilassung 1979 kam Cristina nach Österreich, wo sie 1980 politisches Asyl erhielt. Das erzwungene Exil war die einzige Möglichkeit, in Freiheit zu leben. „Du hast alles verloren. Alles, außer deinen Sinn für Gerechtigkeit, für die Freundschaft, für die Solidarität, alles außer deine Leidenschaft für das Leben, deine Entschlossenheit und auch deinen Sinn für Humor.“ (Rosa-Juana Lillo Ruiz) Cristina knüpft in Wien neue Verbindungen und webt neue Netzwerke der Solidarität. Mit der Gründung von LEFÖ 1985 entsteht ein politischer Raum für Migrantinnen, ein Raum der Selbst­organisation und Selbstbehauptung, ein Raum für gegenseitige Wahrnehmung und Wertschätzung. Während ihres jahrzehntelangen Engagements hat Cristina die Debatte um Migration, Frauenhandel und Sexarbeit entscheidend mitgestaltet, was sie auch zu einer Vorreiterin des intersektionalen Feminismus in Österreich macht.
Compañer@s zeichnen ein vielfältiges Bild Cristinas: Pionierin und Vorbild, Kämpferin und Rebellin, Visionärin und Strategin, scharfsinnige Denkerin und Grenzüberschreiterin, ausgestattet mit enormer Schaffenskraft, kommunikativer Kompetenz, Großzügigkeit, Leidenschaft, Geradlinigkeit, ihren politischen Grundsätzen stets treu, um nur einiges zu nennen. Gefragt, was sie jungen Frauen aus ihrer politischen Arbeit mitgeben möchte, antwortet Cristina „die Begeisterung. (. . .) Die Begeisterung musst du gießen wie die Pflanzen – sie kommt nicht vom Himmel.“
Vielen Dank an alle, die dieses wunderbare Buch ermöglicht haben.

Rosa Zechner ist Historikerin und Bibliothekarin und im Vorstand von STICHWORT.


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