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Damit es nicht verloren geht

Traude Bührmann: wahlverwandt & unermüdlich. 16 lesbische Orte im Porträt. Tübingen: Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke; 2022, 192 Seiten, € 12,40.

Gelesen von Margit Hauser

Unter dem Titel „wahlverwandt & unermüdlich“ stellt die in Berlin lebende Autorin Traude Bührmann 16 lesbische Orte vor allem in Deutschland und Frankreich vor, die allesamt auf eine lange Geschichte verweisen können. Oder eigentlich sind es nicht so sehr die Orte als vielfach die Frauen, deren Tun und Wirken dargestellt wird.
Wir lernen zum Beispiel Christel Rieseberg und Lisa Sharon Makey, die langjährigen Betreiberinnen der Frauenpension Bertingen (davor der Frauenpension Gleich hinterm Deich, davor auch des Berliner Lesbenlokals Dinelo und Rieseberg allein von Die Zwei) und das Frauenferienhaus Saouis in Frankreich kennen; wir hören von der auf Lesbos lebenden Filmemacherin Tzeli Hadjidimitrio von den Veränderungen, die Skala Eressos als internationaler Lesbentreffpunkt erlebt hat, treffen die Spielerinnen des Frauenfußballteams Ü50 sozusagen am Rande des Spielfeldes in Berlin. Wir betreten zum Beispiel das feministische Archiv ausZeiten in Bochum und den Frauenbuchladen Thalestris in Tübingen, hören über die Geschichte des Lesbentreffs RuT für ältere und behinderte Lesben in Berlin-Neukölln oder LesMigraS in der Lesbenberatung Berlin und unterhalten uns mit einigen Sängerinnen des Spreediven-Chors. Und manchmal ist der Ort auch kein Ort im Sinne eines fixen Treffpunkts oder Hauses. Der Ort kann eine Berliner Straße sein, in der Gärten und Frauen miteinander verbunden sind: Das Interview mit Ika Hügel-Marshall, Jasmin Eding und Ria Chiatom erzählt von ADEFRA in den 1980er Jahren und von der neu gegründeten ADEFRA roots. Manchmal staunen wir ein, zwei Absätze lang, bis wir orientiert sind – so ist im Text zum Frauenkulturzentrum Begine das Klavier die Erzählerin, was sich nicht sofort erschließt. Frauen erzählen aus ihren Leben und eines führt zum anderen: bei Gisela aus Isseborsch und Ute Greiling vom Frauenlandhaus Charlottenberg über Safia und die SAPPhO-Stiftung zum erkämpften Lesbenareal am Friedhof Prenzlauer Berg. Ein bisschen insiderisches Wissen wird schon vorausgesetzt, wissen denn alle Leserinnen so fix wie die Rezensentin, wer die Neckaramazonen sind und welches Fenster mit dem Wort Frauen-Selbstverlage aufzustoßen wäre?
Manches ist lebendig und inspirierend zu lesen, anderes erscheint eher sachlich oder auch ein wenig traurig; insgesamt sind die Texte ganz unterschiedlich, teils im O-Ton der Interviewten, teils aus der Sicht der Autorin verfasst – und damit auch unterschiedlich gut zu lesen. Jedenfalls aber ein interessantes Buch, das an die Gleichzeitigkeiten von Politiken in feministisch-lesbischen Kontexten erinnert und dem Selbstverständnis lesbischer Politiken auch heute Raum gibt.

Mag.a Margit Hauser ist langjährige Mitarbeiterin und Geschäftsführerin von STICHWORT. Sie veröffentlichte zur feministischen Philosophie sowie zum feministischen Informations- und Dokumentationswesen.


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