Maria Nicolini (Hg.): Maria Lassnig. Ich bin ganz Landschaft.
Klagenfurt: Ritter, 2022, 336 Seiten, € 29.
Gelesen von Helga Widtmann
„Ich bin ganz Landschaft“ ist der Titel eines Aquarells von
Maria Lassnig aus dem Jahr 1987, das nicht nur einen Kopf
zeigt, sondern auch eine Landschaft oben im Kopf, die Flattnitz,
eine Kärntner Hochebene. Eine Abbildung davon steht
programmatisch am Anfang dieses detailreichen Bandes,
der die berühmte Künstlerin zwischen Klagenfurt, Paris, New
York und Wien verortet. Maria Nicolini als Herausgeberin und
Autorin, einige Studierende aus Lassnigs Meisterklasse an
der Hochschule für angewandte Kunst Wien sowie zahlreiche
Weggefährt*innen tragen darin Spannendes und Erhellendes
zu Maria Lassnigs Leben und Werk bei.
Aus der Fülle der Beiträge seien einige exemplarisch genannt:
Ursula Hübner, eine Studentin der Meisterklasse
Maria Lassnig von 1981 bis 1986, beschreibt sie als „strenge
Professorin . . . [als] Künstlerin, die sich ihrer Bedeutung wohl
nicht bewusst war und möglicherweise Hemmungen hatte,
die Karriere ihrer Studentinnen zu fördern . . .“. Hans Werner
Poschauko, auch ein früherer Student der Meisterklasse von
1983 bis 1989 (und seit 2014 Vorstandsmitglied der Maria
Lassnig Stiftung) bezieht sich auf Lassnigs Farben, auf ihr besonderes
Türkis: „Je weiter sich Maria Lassnig von Kärnten
entfernte, umso stärker wurde in ihren Bildern dieses Türkis
. . . Es ist das Türkis des Wörthersees“. Sabine Groschup,
ebenso Meisterschülerin bei Maria Lassnig, beschreibt die
Künstlerin in ihrem Beitrag „14 Bilder in meinem Kopf. Die
Landschaft wird zusehends üppiger“ anfangs auf einem
Hochstand auf einer Kärntner Alm und zuletzt „als Freiheitsstatue
aus ihrem Zeichentrickfilm Selfportrait“ und endet mit
Lassnigs Ratschlag an Mara Mattuschka und sie selbst, „früher
berühmt zu werden, im Alter habe man nicht viel vom Berühmtsein,
nicht viel vom Geld“. Mara Mattuschka, ebenso
Studentin bei Maria Lassnig nach 1982, versucht in ihrem Beitrag
„Das Bild in die Welt entlassen. Lied an Maria“ Lassnig
als Malerin und Lehrerin zu beschreiben und zu erfassen.
In einem ausführlichen Beitrag würdigt Maria Nicolini
Lassnig als Filmkünstlerin, deren Animationsfilme großteils
von 1968 bis 1980 in New York entstanden, wo sie „in der
Frauengruppe Women/Artist/Filmmakers Inc. aktiv“ war; in
einer Textcollage gemeinsam mit Hubert Sielecki werden
dann die filmischen Arbeiten in der Meisterklasse in Wien beschrieben
und vor allem auch die Entstehung der Maria Lassnig
Kantate.
Insgesamt ein vielstimmiger und facettenreicher Band,
der neue Sichtweisen auf eine berühmte Künstlerin möglich
macht.
Helga Widtmann ist Buchhändlerin, Bibliothekarin und Mitarbeiterin von STICHWORT.
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