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Über den Tellerrand

Andrea Ernst, Ulrike Lunacek, Gerda Neyer, Rosa Zechner, Andreea Zelinka (Hg.): Global Female Future. Wie feministische Kämpfe Arbeit, Ökologie und Politik verändern. Wien: Kremayr & Scheriau 2022, 220 Seiten, € 24

Gelesen von Stephanie Arzberger

Über den Tellerrand blicken wir mit Global Female Future. Wie feministische Kämpfe Arbeit, Ökologie und Politik verändern. In einer Zeit hochpolitischer Stimmung schließen sich Anfang der 1980er Jahre Aktivistinnen aus verschiedenen Bereichen zusammen, um Österreichs internationale Beziehungen auf den feministischen Prüfstand zu stellen. Daraus entsteht wenig später die Frauensolidarität, die erste Organisation und Zeitschrift in Österreich mit dem Ziel, die internationale Ungleichheit aus feministischer Perspektive zu analysieren. Zum 40-jährigen Bestehen schreiben die Herausgeberinnen, allesamt Gründungsmitglieder, Aktivistinnen und/oder Redakteurinnen der Zeitschrift Frauen*solidarität, mit Autor*innen aus aller Welt dieses Buch, einen Rückblick in die Vergangenheit der Organisation, kombiniert mit Beiträgen zu aktuellen feministischen Debatten rund um den Globus. Wir lesen in diesem Buch wissenschaftliche Texte, Streitschriften, Interviews, Essays, Reportagen und Lyrik und merken schnell: Hier wurde den rund 40 Autor*innen viel Raum gegeben. Sie beschreiben aus ihren Kontexten heraus auf unterschiedliche Weise ihre Herangehensweise in den feministischen Debatten, auch und vor allem in ideologisch umstrittenen Feldern wie zum Beispiel Klimaschutzaktivismus oder der weiblichen Fertilität.
Die Schwerpunkte orientieren sich an den Themen, die die Frauen*solidarität seit ihrem Bestehen umtreiben und die nichts an Relevanz in den letzten vier Jahrzehnten eingebüßt haben. Dadurch lassen sich Brücken schlagen in die Gegenwart, und der Blick wird auch immer wieder in die Zukunft gerichtet. Die Beiträge befassen sich entlang der sechs Themengebiete mit (Anti-)Rassismus und Postkolonialismus, Gewalt, Reproduktion, Politik, Arbeit sowie mit Umwelt und Klima. Hier liegt auch eine Stärke dieses Buches: Die verschiedenen Hintergründe, aus denen die Autor*innen kommen, ermöglichen uns wie von selbst, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Die Antworten auf Fragen wie: Wie kann feministische Ökonomie die Wirtschaft verändern? oder Wie lässt sich antirassistischer Widerstand organisieren? lesen sich entsprechend vielstimmig. Unterfüttert sind die einzelnen Themenkomplexe mit Infoboxen, die uns Hintergrund­informationen bieten und Einleitungen, die Fragen aufwerfen und zum Nachdenken anregen. Ebenfalls hervorzuheben sind die selbstreflexiven Elemente im Buch, etwa zur Verwendung von Begriffen, die in den 1980er Jahren gängig waren, die heute allerdings durch andere Begriffe ersetzt werden, oder wie es zur Umbenennung von vFrauensolidarität in Frauen*solidarität kam. Und schließlich ist eine weitere Stärke des Buches die liebevolle Gestaltung auch mit Fotomaterial aus den letzten 40 Jahren und Anekdoten über Besuche und Vorträge, die von und mit der Frauen*solidarität organisiert wurden. Nicht zuletzt ist dieses Buch eine Hommage an Sigrun Berger (1934–2021), eine der Gründerinnen der Frauen*solidarität, deren langjährige Obfrau und Ehrenvorsitzende.
Global Female Future zeichnet ein vielfältiges Bild feministischer Auseinandersetzungen und lässt erkennen: Mit 40 ist noch lange nicht Schluss.

Stephanie Arzberger arbeitet seit 2011 beim STICHWORT mit.


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