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Im Archiv mit Sekretariat für Geister, Archivpolitiken und Lücken

ENTRÜSTET EUCH!


Flugblätter aus dem Zeitraum von 1979 bis 1992 geben Einblick in die Überschneidungen von feministischen Gruppen mit verschiedenen Friedensbewegungen in Europa – vom Norden in den Westen, vom Süden in den Osten, von Konzerten zu Camps, von Informationsabenden zu Demonstrationen, von Quizzes zu Friedensliedern, von Stammtischen zu Friedenszügen. Mit Rückblicken in die Vergangenheit und Ausblicken in die Zukunft.

Diese Flugblätter sind Teil von STICHWORT, dem Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung, das 1983 in Wien gegründet wurde. In einer Zeit also, in der sich die Friedensbewegung in Europa von Neuem mobilisierte. Der NATO-Doppelbeschluss von 1979, der die Aufstellung neuer Atomraketen in Westeuropa legitimierte, war einer der Auslöser. Der Rüstungswettlauf zwischen den NATO-Staaten und der Sowjetunion nahm in den achtziger Jahren neue Fahrt auf. Die Flugblätter aus STICHWORT veranschaulichen deutlich das vielfältige Engagement für den Frieden, die Forderungen und Mittel des Protests, die oft über nationalstaatliche Grenzen und Sprach­barrieren hinausgingen. Zugleich verdeutlichen die Flugblätter die große Bedeutung des STICHWORT-Archivs selbst: Das Sammeln und Zugänglich­machen ermöglicht erst die Beschäftigung mit all den Geschichten des Widerstands und Protests, die sonst nicht leicht aufzuspüren wären.

Seit 2012 arbeiten wir, Nina Hoechtl und Julia Wieger, als das Sekretariat für Geister, Archivpolitiken und Lücken (SKGAL). In unserer künstlerischen Recherchen richten wir die Aufmerksamkeit auf Orte, Dokumente und Gegenstände, die von den großen Erzählungen der Geschichtsschreibung wenig beachtet werden. Dabei ist es uns wichtig, feministische und dekolonialisierende Perspektiven einzubinden. Im Kunstraum Memphis bringen wir Schwarz-Weiß-Kopien der Flugblätter an den Wänden und Fenstern an. Eine Auswahl der Dokumente wird dann genauer unter die Lupe genommen: Farbfotografien der Flugblätter und Texte in Posterformat von uns sowie von Archivarinnen, Theoretikerinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen, mit denen wir sich schon länger im Austausch befindet, zeigen Perspektiven und Fragestellungen für die Gegenwart auf.


Drei Poster aus Großbritannien, die Friedensaktionen ankündigen, hinterlassen bei der Archivarin und Designerin Ego Ahaiwe Sowinski aufgrund ihrer ungebrochenen Aktualität ein unheimliches Gefühl und lösen in ihr Fragen zu Frieden und Archiven aus. [ >PDF ]


STICHWORT-Leiterin und Philosophin Margit Hauser schreibt über Collagen auf einem der vielen Flugblätter der Frauenbewegungs- und Friedensaktivistin Hermi Hirsch und darüber, wie das Flugblatt – zweimal in Rot, einmal in Grün – zu STICHWORT kam. Hirschs Wiener Innenstadtbeisl war von 1978 bis zu seinem Konkurs 1983 auch Treffpunkt ihres Vereins Frauen für den Frieden Wien. [ >PDF ]

Eine Ankündigung der Initiative für den kroatisch-serbischen Friedensdialog lädt dazu ein, über die Bilder des Krieges „samt dazu aufgebaute Feindbilder“ nachzudenken. Das Flugblatt zum „Informationsabend für Frauen“ in Graz aus dem Jahr 1992 ruft bei der Theoretikerin und Aktivistin Lina Dokuzović eigene Erinnerungen an den Krieg wach. Sie stellt aktuelle Formen der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine solchen zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien gegenüber. [ >PDF ]


Die Frage „WO SEID IHR 99,98%?“ auf dem Flugblatt der Frauen für den Frieden in Innsbruck verbinden wir mit dem Manifest Ein Feminismus für die 99% von Cinzia Arruzza, Nancy Fraser und Tithi Bhattacharya aus dem Jahr 2019 und lenken so die Aufmerksamkeit auf die Verschränkung von Krieg und Kapitalismus. [ >PDF ]


Anhand von Flugblättern der Blockadegruppe, die sich während des Golfkriegs 1991 an Protesten gegen den Transport von US-Panzern durch Tirol beteiligte, zeigt die Archivarin Sassy Splitz, dass das, was hier passiert, mit Kriegen andernorts zu tun hat. Wie sie meint, ist diese Erkenntnis ein wichtiger Schritt, um handlungsfähig zu werden. [ >PDF ]

In einer Zeit, in der auch wieder in Europa bewaffnete Auseinandersetzungen allgegenwärtig sind, ermöglichen die Flugblätter und Postertexte, in Quellen der Geschichten der Friedensbewegung einzutauchen. Es lohnt sich! Die Formen der Verbreitung und die Schwerpunkte der Forderungen haben sich über die Jahrzehnte geändert, aber angesichts der andauernden gewaltvollen Konflikte – deren destruktivste Form der Krieg ist – stellt sich weiterhin die Frage, wie Frieden für alle erreicht werden kann.

Ein Kunstprojekt im Rahmen der Ausstellung AGGRESSIVE PEACE
(14. Mai – 8. Juni 2022) im Kunstraum Memphis in Linz.

Sekretariat für Geister, Archivpolitiken und Lücken (SKGAL)
in Zusammenarbeit mit Ego Ahaiwe Sowinski, Lina Dokuzović,
Margit Hauser und Sassy Splitz;
Fotografien: Julia Gaisbacher,
Ausstellungsdokumentation: Jakob Dietrich.




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